Alles fängt mit den Aktivitäten im und um den Boden an und mit dem direkten und indirekten Zuströmen der Energie der Sonne. Beileibe nicht zum ersten Mal wird es heute als krisenhaft empfunden. Dass Landwirtschaft, Kultur und Gesellschaft aufs Engste zusammenhängen, zeigen die auf einer „crazy wall“ versammelten Bilder der Landwirtschaft aus mehreren Jahrtausenden. Nichts hat in dieser langen Geschichte so weitreichende Folgen gezeitigt wie die Industrialisierung. Wie viel fossile Energie steckt in heutigen landwirtschaftlichen Produkten? Auf einer „detective wall“ zur Stickstoff-Verschwörung können Sie einigen zentralen Zusammenhängen dieser Veränderungen auf die Schliche kommen. In einem Pflanzregal im ersten Stock schließlich begegnen sich die Spur des Traktors – die auch auf das Schlachtfeld führt –, ein Kulturpflanzen-Quartett, die „glokale“ Geschichte des Zuckers und die historische Dynamik von Kollektivierung und Kapitalisierung.
Kalte Asche und Petromelancholie. Energie ist nicht nur, was aus Leitungen kommt. Energieformen prägen Kulturformen – in ihrer materiellen Gestalt wie in ihren Denkmöglichkeiten. Darüber hinaus ist »energeia« seit Aristoteles eine Wirkkraft, die ein Potenzielles ins Sein bringt, etwas vor Augen führen kann – und damit eine genuin poetologische Kategorie. Was bedeutet es für die Literatur als energetische Kunst, dass sich ein Abschied von den Fossilkulturen abzeichnet?
Zu diesen Fragen fanden am 17.1.2024 zwei Diskussionsrunden im Brecht-Haus Berlin statt, eingeleitet von Steffen Richter. (mehr Infos)
17:30, Alexander Klose / Benjamin Steininger, »Petromoderne Permanenz und Wiederkehr«, Impulsvortrag und Gespräch mit Birgit Schneider.
20:00, »Energiekämpfe in der Gegenwart«. Mit Burkhard Spinnen (»Rückwind«, 2019), Susanne Stephan (»Der Held und seine Heizung. Brennstoffe der Literatur«, 2023) und Theresa Hannig (»Pantopia«, 2022). Moderation Matthias Bertsch.
Video der gesamten Veranstaltung:
Ein dichter und inspirierender Einführungstext zur Veranstaltung von Steffen Richter, der am 16.01.2024 im tagesspiegel erschienen ist, kann hier abgerufen werden.
Seit dem russischen Krieg in der Ukraine ist sie Thema politischer, ökonomischer und kultureller Debatten: Energie. Sabotierte Pipelines, gebrochene Staudämme und beschossene Atomkraftwerke machen die Verletzlichkeit unserer Energieinfrastrukturen greifbar – und die unserer gesamten energieintensiven Lebensform. Das fossile Zeitalter hat Karbon- und Petromoderne ermöglicht und weitreichende Freiheitsroutinen etabliert. Zugleich aber untergräbt es unsere Lebensgrundlagen. Damit überlagern sich die vom Krieg angefachten Diskussionen über Versorgungssicherheit mit Debatten, die seit langem über die Notwendigkeit einer postfossilen Kultur geführt werden. Energieformen nämlich prägen Kulturformen. Und Geschichte lässt sich immer schon als Geschichte von Energiewenden und Konflikten zwischen Energieregimen lesen. Diese Ausgabe der Zeitschrift »Dritte Natur. Technik – Kapital – Umwelt« widmet sich in ihrem Schwerpunkt verschiedenen Facetten von Energiekulturen – etwa dem Energiemanagement der Finanzmärkte, autofreien Sonntagen in der alten Bundesrepublik oder Windradromanen der Gegenwartsliteratur.
Text von Benjamin Steininger und Alexander Klose über die “Geister der Petromoderne”, erschienen im Juliheft 2023 der Zeitschrift Merkur.
Ein russischer Panzer hat sich festgefahren. Von seiner Besatzung verlassen, wird er von einem ukrainischen Landwirt mit dem Traktor geborgen. Zahlreiche Varianten dieser Szene kursieren im Frühjahr 2022 in sozialen Netzwerken. Zur Beute der Traktoren werden sehr verschiedene räder- oder kettengestützten Kampffahrzeuge. Von veralteten T 62 Panzern aus dem Jahr des Berliner Mauerbaus bis hin zum gepanzerten Raketenwerfer TOS – Waffensysteme, die in Afghanistan 1980 erstmals eingesetzt wurden, die Grozny 1999 und Aleppo 2014 in Schutt und Asche gelegt hatten, liegen wie gelähmte Käfer im Dreck.
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In der Szene mit Traktor und Panzer manifestieren sich exemplarisch komplexe und zum Teil widersprüchliche Verhältnisse von petromoderner Geschichte, Technik und Politik, Menschen und Landschaften. Wie schon die Corona-Krise erscheint der Ukraine-Krieg als zentrale Zäsur, insbesondere, wenn man die Gegenwart als Petromoderne untersucht.
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Als einen »Zombie« beschreibt der russische Schriftsteller Wladimir Sorokin den zum Leben erweckten »toten Körper des Sowjetischen«. Doch was sich nach unserer Auffassung 2022 wie ein untotes Monster aufbäumte, ist die Petromoderne insgesamt: alter geostrategischer Ungeist und falsche Geschichtspolitiken statt neues öko-geohistorisches und kooperatives Bewusstsein. Und konkret: Rüstungsgüter, die vor Jahrzehnten produziert worden waren und die man als Fossilien eines überwundenen Kalten Krieges hatte vergessen können, lassen ein Panorama alter petromoderner Kriege aufleben – in Echtzeit verbreitet in einer Unzahl von Bildern und Videos in digitalen Medien.
2022 in der Ukraine stehen Panzer und Traktor für noch immer nicht gelöste Konflikte. In ihrem technischen Bezug zur Landschaft ähneln sich die beiden Fahrzeuge mehr als es auf den ersten Blick scheinen mag. Beide haben historisch entscheidenden Anteil an den Mobilisierungen aller Lebensbereiche, die das petromoderne 20. Jahrhundert kennzeichnen. Es sind die Prärien des Mittleren Westens und die Steppen der Ukraine und Russlands, auf denen der Traktor sich als zentrales Instrument einer neuen, industriellen Landwirtschaft erweist – der amerikanische Fordson von 1917 wird rasch in der Sowjetunion als Fordson-Putilowez kopiert. Etwa zeitgleich, im September 1916 an der Somme und in der „Tankschlacht von Cambrai“ im Revolutions-November 1917, etabliert sich der Panzer bei seinen ersten militärischen Einsätzen als Ikone petromoderner Kriegsführung. Die für den Panzer entscheidende Idee, eine Raupenkette als eine Art stählernen Fahrweg vor die Räder der Maschine auszulegen, auf dem sich dann nahezu jeder Untergrund überwinden lässt, stammt aus der Landwirtschaft, vom legendären US-amerikanischen Erfinder Benjamin Holt, der 1904 erstmals Raupenketten erprobte.
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Rädergestützt oder auf Raupen ist der Traktor eines der stärksten Symbole einer petromodern mobilen Agrartechnik, die Böden nicht als Teil einer von selbst wachsenden Natur, sondern als technische Ressource begreift, in denen Landwirte nicht mehr mit der Natur, sondern auf Maschinen gegen die Natur arbeiten. Das Unterwerfen feindlicher Armeen oder aufrührerischer Bevölkerungen einerseits und das Zähmen von Naturprozessen im Sinne totaler technischer Verfügung andererseits gehen Hand in Hand. „Die Beherrschung der Natur durch den Menschen verrät uns viel vom Wesen der menschlichen Herrschaft“ wie der Historiker David Blackbourne schreibt. …
Das Schwerpunktwochenende zum Erdöl als einer Substanz, die wie keine andere die Wirklichkeiten dieses Planeten durchdringt und beeinflusst, begleitet die Produktionen BLACK FLAME und ÖL! Es fand statt vom 23. bis 26. Februar 2023 am Volkstheater Wien.
»The satellite image above shows the Port of Rotterdam, the biggest harbor in Europe. At Maasvlakte 2, an artificial island just off the coastline, the world’s largest tankers are able to dock. Around 100 million tons of crude oil reach Rotterdam each year, half of which are processed on-site in five petrochemical refineries, including Europe’s largest, the Shell refinery at Pernis«. (link to the English essay here)(link zum deutschen Text hier)
Wie sicher ist unsere Energieversorgung – aktuell, vor allem aber nach der Energiewende, deren Dringlichkeit ein weiterer Hitzesommer eindrucksvoll unterstrichen hat? Energie ist nicht abstrakt, das ist mehr denn je klar. Sie ist in stoffliche und geografische Netzwerke eingebunden. Welche Stoffe brauchen wir für unseren Alltag, die Industrie, unseren Wohlstand? Wie sind diese Ressourcen in der Welt verteilt? Zu welchen geopolitischen und ökologischen Kosten leben wir aktuell? Und wie wollen wir in Zukunft leben?
Chemie steht dabei doppelt im Fokus. Als großer Verbraucher zahlreicher und oft problematischer Ressourcen, aber auch als erprobtes Mittel, sich über Innovation aus Abhängigkeiten zu lösen.
Der Forschung zur Katalyse kommt eine Schlüsselrolle zu; sowohl für postfossile Energiesysteme wie für alle anderen, globalen Stoffkreisläufe. Welche Ansätze verfolgt UniSysCat hier?
Die Präsentation in Berlin findet im Dezember 2022 oder Januar 2023 statt. Zeit und Ort werden an dieser Stelle noch bekann gegeben.
Der Band versammelt solche, in ihrer Gesamtheit notwendig fragmentarisch bleibende Vorstöße als vier – auf die Erde und ins Unbekannte geworfene – naturphilosophische Brocken. Unter Extraktionsregime fallen Texte, die die in der Moderne vorherrschende Fassung der Natur als Ressource problematisieren. Dieser Bestandsaufnahme gegenübergestellt werden im Rahmen von Naturepistemologien polyzentrische Modelle von Natur(en), die auf außereuropäische Kosmologien rekurrieren und dissidente Lesarten der europäischen Tradition in Erinnerung rufen. Körpersäfteanalysen zeigen, wie Natur in der leiblichen Auseinandersetzung mit (Kleinst-)Körpern und (an)organischen Stoffen zur Darstellung kommen kann. Der Brocken Wahlverwandschaften handelt von sympoietischen Verbindlichkeiten: queeren und Xeno-Bindungen.
Mit Beiträgen von: Heather Davis, Kai van Eikels, Donna Haraway und Karin Harrasser, Andreas L. Hofbauer, Maren Mayer-Schwieger, Kathrin Meyer, Johannes Neurath, Hermann Rauchenschwandtner, Salome Rodeck, Oxana Timofeeva, Tom Turnbull, Daniel Tyradellis, Maria Zinfert und einer künstlerischen Bildstrecke von Jenny Michels.
Es gibt Erdöl in Österreich? Aber ja! Im Wiener Becken und in Oberösterreich wird seit den 1930ern Erdöl und Erdgas gefördert. Raffinerien und Öltanks stehen seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert an den Ufern der Donau. Der Rohstoff Öl verknüpft auf schillernde Weise die lokale Geografie und die nationale Geschichte der Alpenrepublik mit deren naturgeschichtlichen Grundlagen und mit den globalen Weltläuften des 19., 20. und 21. Jahrhunderts.
Um 1900 ist das Habsburgerreich mit seinen galizischen (heute ukrainischen) Ölfeldern Förderland Nummer drei nach den USA und Russland. Öl aus dem Wiener Becken treibt die NS Kriegsmaschine an. Bis 1963 fließen dann Millionen Tonnen Öl als inoffizielle Reparationen in die Sowjetunion. Parallel zum neutralen Österreich wird die ÖMV als neutraler Öl-Konzern konzipiert. 1965 Wien wird OPEC-Stadt, seit 1968 strömt Sowjetisches Erdgas über Baumgarten in den Westen. Die Montanuniverstät Leoben ist eine der wichtigsten Petroleum-Lehrstätten Europas. Zwar ist die OMV ein internationaler Konzern mit Verflechtungen insbesondere nach Russland, aber noch immer stammen ca. 10 Prozent des Inlandsverbrauchs an Öl und 15 Prozent an Erdgas aus heimischen Quellen.
Die Pfade des Erdöls aus und nach Österreich situieren das Land auf sehr spezifische Weise in der Natur- in der Kultur- und in der politischen Geschichte der Moderne und des Anthropozäns. Öl fungiert als besonderes Reflexionsmedium: Im Lokalen wird das Globale, im Globalen wird das Lokale anders wahrnehmbar. Mit Bild- Video- und Ton-Material aus unterschiedlichen Konstellationen (Galizien, NS, OPEC) gestaltet ‚Beauty of Oil‘ eine Revue Petro Noir in Linz.
Die Petro Revue Linz montiert Unterhaltung und Propaganda, Videoschnipsel und Musik mit geowissenschaftlichen Materialien und historischen Dokumenten. Sie bilden den Rahmen für Gespräche. Unsere Gäste und Gesprächspartner_innen sind der österreichisch-französische Historiker Jérôme Segal und die Petroleumingenieurin und Doktorandin der Montan-Universität Leoben Bianca Brandstätter.
Die Tagung wird über Zoom gestreamt. Über diesen Link kann man sich zur Teilnahme anmelden.