Kalte Asche und Petromelancholie. Energie ist nicht nur, was aus Leitungen kommt. Energieformen prägen Kulturformen – in ihrer materiellen Gestalt wie in ihren Denkmöglichkeiten. Darüber hinaus ist »energeia« seit Aristoteles eine Wirkkraft, die ein Potenzielles ins Sein bringt, etwas vor Augen führen kann – und damit eine genuin poetologische Kategorie. Was bedeutet es für die Literatur als energetische Kunst, dass sich ein Abschied von den Fossilkulturen abzeichnet?
Zu diesen Fragen fanden am 17.1.2024 zwei Diskussionsrunden im Brecht-Haus Berlin statt, eingeleitet von Steffen Richter. (mehr Infos)
17:30, Alexander Klose / Benjamin Steininger, »Petromoderne Permanenz und Wiederkehr«, Impulsvortrag und Gespräch mit Birgit Schneider.
20:00, »Energiekämpfe in der Gegenwart«. Mit Burkhard Spinnen (»Rückwind«, 2019), Susanne Stephan (»Der Held und seine Heizung. Brennstoffe der Literatur«, 2023) und Theresa Hannig (»Pantopia«, 2022). Moderation Matthias Bertsch.
Video der gesamten Veranstaltung:
Ein dichter und inspirierender Einführungstext zur Veranstaltung von Steffen Richter, der am 16.01.2024 im tagesspiegel erschienen ist, kann hier abgerufen werden.
Seit dem russischen Krieg in der Ukraine ist sie Thema politischer, ökonomischer und kultureller Debatten: Energie. Sabotierte Pipelines, gebrochene Staudämme und beschossene Atomkraftwerke machen die Verletzlichkeit unserer Energieinfrastrukturen greifbar – und die unserer gesamten energieintensiven Lebensform. Das fossile Zeitalter hat Karbon- und Petromoderne ermöglicht und weitreichende Freiheitsroutinen etabliert. Zugleich aber untergräbt es unsere Lebensgrundlagen. Damit überlagern sich die vom Krieg angefachten Diskussionen über Versorgungssicherheit mit Debatten, die seit langem über die Notwendigkeit einer postfossilen Kultur geführt werden. Energieformen nämlich prägen Kulturformen. Und Geschichte lässt sich immer schon als Geschichte von Energiewenden und Konflikten zwischen Energieregimen lesen. Diese Ausgabe der Zeitschrift »Dritte Natur. Technik – Kapital – Umwelt« widmet sich in ihrem Schwerpunkt verschiedenen Facetten von Energiekulturen – etwa dem Energiemanagement der Finanzmärkte, autofreien Sonntagen in der alten Bundesrepublik oder Windradromanen der Gegenwartsliteratur.
The very well written book takes on the form of the ironic encyclopedia that has been popular since the nineteenth century, as a parody of the great encyclopedias of the Enlightenment era. Impressive color illustrations complement the text and, according to the authors, justify the “Atlas” of the subtitle (p. 15). In their individual glosses, the authors almost always succeed in offering interesting and often novel discoveries. For example, the topic of drilling is presented in a well-founded and stimulating manner in a brief account. The catalytically controlled chemical transformation of petroleum constituents is also solidly presented under the heading “Molecular Mobilization” (pp. 49–57). Often, the reader’s expectations are deliberately played with—as, for example, when the essay entitled “Animals in the Oil Field” (pp. 199–203) deals not with seabirds that are glued together and dying but, rather, with animals that visit drilling grounds. This approach arouses interest and curiosity but also increases perplexity. The reader is left alone with the material and must tell his own story.
And this is precisely the goal; it also fits the form of the ironic encyclopedia, which from the outset does not lead one to expect that an overview will be presented. The history of oil is a history that crashes over us. “Erdöl: Ein Atlas der Petromoderne” aims to use brief spotlights, from very different perspectives, to draw attention to a substance that is part of the everyday life of modernity. It succeeds in doing so; at the same time, the well documented individual articles offer suggestions for further study and some connections that may be new even to researchers who have been in the field for some time. An English edition is in preparation.«
»Petromelancholia« examines the enormous consequences of a life beyond oil, the magnitude of which many do not yet realize. Unlike the many exhibitions that sing about doom scenarios or kick in the open doors of the climate crisis, Petromelancholia reflects on the legacy of the oil age and the new meaning that this past will irrevocably acquire. What has oil brought us, materially and especially culturally, and what might disappear or change?
A large croud is present at Alexander Klose’s opening speech at BRUTUS Rotterdam!
It’s hard to think of a better location for Petromelancholia than at BRUTUS – situated in the Rotterdam harbor. In few places will the impact of the energy transition be more visible than here. This is therefore the most appropriate place for critical self-reflection with a good dose of melancholy and nostalgia. The exhibition reflects an urgency that has never before been felt this strong.
With works by: Yuri Ancarani (ITA), Rowan van As (NLD), Alessandro Balteo-Yazbeck (VEN/GER), Diann Bauer (USA), Uwe Belz (GER), Vanessa Billy (CHE), Kevin van Braak & Ipeh Nur (NLD/IDN), Imani Jacqueline Brown (USA), Andrew Castrucci (USA), Chto Delat (RUS), Timo Demollin (NLD), Tanja Engelberts (NLD), Christoph Girardet (GER), Rumiko Hagiwara (JPN/NLD), heidundgriess (GER), Bernhard Hopfengärtner (GER), Aaditi Joshi (IND), Olaf Mooij (NLD), Leonhard Müllner & Robin Klengel (AUT), Hugo Niebeling (GER), Alain Resnais (FRA), Konstantin Schimanowski (RUS/GER), Miriam Sentler (NLD), Sanaz Sohrabi (IRN/CAN), Johannes Steendam (NLD), Gunhild Vatn (NOR), Jan Eric Visser (NLD), Rachel Youn (USA), Marina Zurkow (USA).
Visit Petromelancholia from 2nd of Sep until 19th of Nov.
During the official opening on Friday September 1st from 8 pm live performances Kems Kriol and DJ Sjoerd Oberman in collaboration with MOMO Fabrique Festival.
From Oct 25 to 29 several special events related to Petromelancholia at Goethe Institut Rotterdam and at Brutus. Program will be published here.
Das Schwerpunktwochenende zum Erdöl als einer Substanz, die wie keine andere die Wirklichkeiten dieses Planeten durchdringt und beeinflusst, begleitet die Produktionen BLACK FLAME und ÖL! Es fand statt vom 23. bis 26. Februar 2023 am Volkstheater Wien.
»The satellite image above shows the Port of Rotterdam, the biggest harbor in Europe. At Maasvlakte 2, an artificial island just off the coastline, the world’s largest tankers are able to dock. Around 100 million tons of crude oil reach Rotterdam each year, half of which are processed on-site in five petrochemical refineries, including Europe’s largest, the Shell refinery at Pernis«. (link to the English essay here)(link zum deutschen Text hier)
Wie sicher ist unsere Energieversorgung – aktuell, vor allem aber nach der Energiewende, deren Dringlichkeit ein weiterer Hitzesommer eindrucksvoll unterstrichen hat? Energie ist nicht abstrakt, das ist mehr denn je klar. Sie ist in stoffliche und geografische Netzwerke eingebunden. Welche Stoffe brauchen wir für unseren Alltag, die Industrie, unseren Wohlstand? Wie sind diese Ressourcen in der Welt verteilt? Zu welchen geopolitischen und ökologischen Kosten leben wir aktuell? Und wie wollen wir in Zukunft leben?
Chemie steht dabei doppelt im Fokus. Als großer Verbraucher zahlreicher und oft problematischer Ressourcen, aber auch als erprobtes Mittel, sich über Innovation aus Abhängigkeiten zu lösen.
Der Forschung zur Katalyse kommt eine Schlüsselrolle zu; sowohl für postfossile Energiesysteme wie für alle anderen, globalen Stoffkreisläufe. Welche Ansätze verfolgt UniSysCat hier?
Es gibt Erdöl in Österreich? Aber ja! Im Wiener Becken und in Oberösterreich wird seit den 1930ern Erdöl und Erdgas gefördert. Raffinerien und Öltanks stehen seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert an den Ufern der Donau. Der Rohstoff Öl verknüpft auf schillernde Weise die lokale Geografie und die nationale Geschichte der Alpenrepublik mit deren naturgeschichtlichen Grundlagen und mit den globalen Weltläuften des 19., 20. und 21. Jahrhunderts.
Um 1900 ist das Habsburgerreich mit seinen galizischen (heute ukrainischen) Ölfeldern Förderland Nummer drei nach den USA und Russland. Öl aus dem Wiener Becken treibt die NS Kriegsmaschine an. Bis 1963 fließen dann Millionen Tonnen Öl als inoffizielle Reparationen in die Sowjetunion. Parallel zum neutralen Österreich wird die ÖMV als neutraler Öl-Konzern konzipiert. 1965 Wien wird OPEC-Stadt, seit 1968 strömt Sowjetisches Erdgas über Baumgarten in den Westen. Die Montanuniverstät Leoben ist eine der wichtigsten Petroleum-Lehrstätten Europas. Zwar ist die OMV ein internationaler Konzern mit Verflechtungen insbesondere nach Russland, aber noch immer stammen ca. 10 Prozent des Inlandsverbrauchs an Öl und 15 Prozent an Erdgas aus heimischen Quellen.
Die Pfade des Erdöls aus und nach Österreich situieren das Land auf sehr spezifische Weise in der Natur- in der Kultur- und in der politischen Geschichte der Moderne und des Anthropozäns. Öl fungiert als besonderes Reflexionsmedium: Im Lokalen wird das Globale, im Globalen wird das Lokale anders wahrnehmbar. Mit Bild- Video- und Ton-Material aus unterschiedlichen Konstellationen (Galizien, NS, OPEC) gestaltet ‚Beauty of Oil‘ eine Revue Petro Noir in Linz.
Die Petro Revue Linz montiert Unterhaltung und Propaganda, Videoschnipsel und Musik mit geowissenschaftlichen Materialien und historischen Dokumenten. Sie bilden den Rahmen für Gespräche. Unsere Gäste und Gesprächspartner_innen sind der österreichisch-französische Historiker Jérôme Segal und die Petroleumingenieurin und Doktorandin der Montan-Universität Leoben Bianca Brandstätter.
Die Tagung wird über Zoom gestreamt. Über diesen Link kann man sich zur Teilnahme anmelden.
»Die Energiekrise befeuert die Diskussion um das Schiefergas. Große Vorräte werden im niederösterreichischen Weinviertel vermutet. Aber ausgerechnet hier, wo das Herz der heimischen Erdölindustrie pocht, formiert sich der Widerstand gegen das Fracking.« Ein Beitrag von Simone Brunner, entstanden mit Recherchetips von Beauty-of-Oil. Besuch in der St. Leonhardskirche in Matzen inklusive! (download des Artikels hier)