»Wer sich darauf einlässt, dem bietet der Atlas der Petromoderne ebenso wie dem Rezensenten ein reichhaltiges Spielfeld für unerwartete Entdeckungen und neue Perspektiven, auch wenn man den Assoziationen nicht unbedingt folgen muss. Er regt jedenfalls zum Nachdenken und zur thematischen Auseinandersetzung an und das ist wohl das Beste, was ein solches Buch überhaupt zu bieten vermag.« Dietmar Bleidick, Bochum
Zwei Aspekte aus dem Buch greifen wir für das Gespräch heraus: Die Verflechtungen von Öl, Kunst und Kapital am Beispiel des “Teheran Museum of Contemporary Art”, sowie das Wiener Becken als Schauplatz eines sehr spezifischen Oil Encounters im 20. Jahrhundert und damit als lokales Schaufenster hinein in die globale Petromoderne.
Seit 3. September 2021 und bis zum 9. Januar 2022 war »Oil« unter großem Medien- und Publikumsinteresse am Kunstmuseum Wolfsburg geöffnet – erfreulicherweise ohne einen einzigen Tag Corona-Ausfall.
Jetzt schreitet der Abbau mit Riesenschritten voran. Leihstücke aus aller Welt und in tatsächlich allen Erscheinungsformen treten die Heimreise an: vom 14 Meter breiten Wandrelief von Tony Cragg bis zur 3 mm kleinen Ölfliege aus Kalifornien.
400 Liter Öl aus dem Ölspiegel wurden abgepumpt und wiederverwertet, getreu dem Motto unseres Ausrüsters Avista-Oil: »Jedes Ende ist ein neuer Anfang« (siehe unten, Aufschrift LKW).
Wir bedanken uns noch einmal ganz herzlich auf diesem Weg beim gesamten Museumsteam in Wolfsburg für die tolle Zusammenarbeit und wünschen alles Gute für den unmittelbar anschließenden Aufbau von »Macht! Licht!« (Eröffnung am 12.3.2022)!
Беньямин Штайнингер, Александр Клозе: Нефть. Атлас петромодерна
М.: Издательство “Логос”, ООО “НПТ”. Москва 2021. – 324 с. ISBN 5-8163-0088-9 (Серия: letterra.org/off-university)
Стоит 989 р.
Перевод и издание книги осуществлены при поддержке Гёте-Института
Нефть (Erdöl) вездесуща, преобразуется в множество личин и состояний (вот она как «топливо», а вот как «полиэтиленовый пакет», «помада» или «воздушный шарик»), оставаясь при этом невидимой. Одновременно чудесная и роковая субстанция, она по преимуществу символизирует как надежды и соблазны, так и угрозы и страхи нашего времени. И чтобы вновь освободиться от них, нам нужно уметь понимать, с чем мы имеем дело в наших двигателях, лабораториях и телах, в наших науках и мечтах. В этом богато и тонко проиллюстрированном Атласе рассказаны 43 истории о Нефти как «материальном бессознательном современности»: о глубоком бурении и космических путешествиях, о роскошных телах и прирученных молекулах, о невероятном богатстве, молниеносной войне и разрушении ценностей. Потому что Нефть – это больше, чем просто сумма ее молекул: это солнечный свет, накопленный за миллионы лет, это концентрированная история Земли, это чудодейственная смазка, позволяющая крутиться «колёсам» петромодерна, нашей нефтесовременности – вопреки (и благодаря!) всей ее противоречивости.
»Нефть. Атлас петромодерна« am Stand der Buchhandlung ‘Gnosis’ auf der Buchmesse non/fiction#23 12/2021, Moskau (Fotos: Oleg Nikiforov)
“Нефть, хоть и выглядит, субстанцией плотной, чёрной и со специфическим запахом при добыче, когда «качалка нефть качает», умеет делаться невидимой , но абсолютно незаменимой в нашей жизни. Пусть мы этого и не замечаем, но тепло, свет, авто, средства красоты и прочие штучки от космоса, до азокерита для компрессов, всё это разные ипостаси чёрного золота. Войны, переделы сфер влияния, шантаж и подкупы, преступления – не нефть виновата в этом. Книга Александра Клозе и Беньямина Штайнингера открывает нам разные стороны тайной жизни нефти. Своего рода «всё, что вы хотели знать о нефти, но стеснялись спросить». Стильно оформлена, проклеена, вроде бы, плотно. Хорошая печать, много иллюстраций и текст вполне доступен. Местами читается как детектив, в целом – познавательно. Полезной может оказаться многим, поскольку нефть, поистине, вездесуща и многолика.”
dieses und alle anderen Fotos in diesem post von Jan Michalko/CCN
In drei Kapiteln (I Sonde, II Raffinerie, III Erdölmensch) sprachen und diskutierten Benjamin Steininger und Alexander Klose über zentrale Aspekte ihrer kuratorischen Erforschung der Petromoderne. Das Motto des Festivals, “Planet schreibt zurück!”, diente dabei als Ausgangs- und Endpunkt unserer eigenen Überlegungen:
Wie schreibt man so, dass ein Planet auch antworten kann? (Über Exploration und Wissensformen des Untergrunds)
Was schreibt er uns? (Fossiles Wissen, deep time und Systemökologie als Kollateraleffekt der Explorations- und Extraktionstätigkeit)
Welches Bild des Menschen sendet uns der Planet zurück? (Wir Petromodernen, im schwarzen Spiegel des Öls)
Zu Videomontagen von Bernd Hopfengärtner las die Schauspielerin Franziska Krol Textpassagen aus unserem Erdölatlas.
Im Rahmen von “planet studiert” – Beiträgen des HU Germanistik-Seminars “Climate Fiction” (WS 2021/22) zum Festival “Planet schreibt zurück” – entstand retrospektiv folgende Skizze:
Alena Naima Knüppel, Probebohrung in der Hölle
»Es schien mir, als wenn alle Menschen um mich her in der bejammernswürdigsten Unwissenheit leben, und dass alle ebenso denken und empfinden würden, wie ich, wenn ihnen dieses Gefühl ihres Elends nur ein einziges Mal in ihrer Seele aufginge.«(Tieck: der Runenberg)
»Inspiriert vom Panel 8 „Die Petromoderne(n) – eine Retrospektive“ mit den Kulturwissenschaftlern Alexander Klose und Benjamin Steininger habe ich mich an einer Karikatur versucht. Eingestiegen sind die beiden mit Dantes Vorstellung der neun Kreise der Hölle. Sie interpretierten Dantes literarische Höllenvision als Schichtmodell der Erde, lange bevor die Wissenschaft dasselbe zu träumen wagte.
Der Titel des Festivals „Planet schreibt zurück!“ wirft jetzt die Frage auf, wie man überhaupt so schreiben kann, dass der Planet antwortet?
Nach Klose und Steininger könnte man „seismisches Wissen“ in diesem Sinne interpretieren: Vibrationsdruck sendet Signale in die Erde und der Planet antwortet, indem er die Signale zurücksendet und je nach Beschaffenheit unterschiedlich reflektiert. Durch die Wellensignale entsteht eine Vorstellung von der ‚Unterwelt’, allerdings nur als Hypothese. Die Antwort muss von Geophonen aufgefangen werden, der ‚Briefverkehr’ mit der Erde ist also hochtechnologisch. Dieses Wissen wird unter anderem Ölkonzernen zur Verfügung gestellt, die es ihrerseits dazu verwenden Hypothesen aufzustellen, wo Öl zu finden ist.
Meine Karikatur stellt nun folgendes dar: Angesichts der Klimakrise scheint mir ein derart imaginierter Briefverkehr, als bohre man gradewegs ein Loch in die Hölle.« (Alena Naima Knüppel )
Wir wurden in einen Rausch an einem Stoff hineingeboren, der uns einst grenzenlose Freiheit, die Moderne und Lebenskomfort versprach. Das Erdöl, mit seiner schier endlosen Produktpalette, hat wie kaum ein anderer Stoff unsere moderne Gesellschaft geprägt und verändert. Und unsere Welt gleichzeitig in großes Leid gestürzt. Heute ist unser Öl-Rausch zu Ende, die Dämmerung des Erdölzeitalters hat begonnen und der Film blickt mit Künstlern und Künstlerinnen zurück auf die Petromoderne – unser Zeitalter des Öls.
Und er stellt sich die Frage: Was hat das Erdöl nur mit uns gemacht und warum fällt es uns so schwer, uns von dem schillernd schwarzen Rohstoff zu lösen?
Produktion: VIVE la DOK Filmproduktion und Navigator Film (Österreich) in Koproduktion mit ZDF/ARTE, 2021, Regie: Mathias Frick, 52 min
“A google street view of CF Industries reveals almost nothing about these institutions” (after Bertolt Brecht)
The paper discusses the CF-industries ammonia plant in Donaldsonville, Louisiana. The plant is framed as an exemplary site from which the Anthropocene can be observed and understood. In doing so, a proposal for a “chemical cultural theory” is set out, to allow us to understand such molecular planetary technologies and interpret their (geo)historical significance. As one of the largest fertilizer plants in the world in terms of its output, and one of the largest chemical plants along the “Petrochemical Corridor,” a cluster of chemical industries situated between Baton Rouge and New Orleans, Donaldsonville typifies the relations between the nitrogen and hydrocarbon industries. Catalysis is here used both as a chemical concept and as a metaphor central to the proposed chemical cultural theory. As key to the Haber-Bosch process and refinery technologies in general, investigating the role of catalysis allows us to connect the history of the Petrochemical Corridor to that of German industrialism. This relation reveals how, from the late 19th century through to the World Wars, an ambivalent industrial co-operation between the US and Germany not only transformed local and planetary environments, it also contributed to the Anthropocene condition.